Projekte

Projekt: Verfolgung und Vertreibung der Kärntner Slowen*innen 1938–1945 / Zasledovanje in pregon koroških Slovenk in Slovencev 1938–1945

Laufzeit 1. Dezember 2023 – 31. Mai 2025


Im April 2022 wurde anlässlich der offiziellen Feiern zum 80-jährigen Gedenken an die zwangsweise Aussiedlung von Kärntner Slowen*innen durch die Nationalsozialisten im Jahr 1942 evident, dass unterschiedliche Zahlen zu dieser Opfergruppe existieren. Trotz der 80 Jahre, die bisher vergangen sind, fehlt bis heute eine umfassende und ins Detail gehende Untersuchung, die als „Standardwerk” für die Verfolgung, Vertreibung und Deportation der Kärntner Slowen*innen zwischen 1938 und 1945 herangezogen werden kann. Evident wurde im Gedenkjahr 2022 auch, dass jene Slowen*innen, die vor oder nach 1942 verfolgt oder vertrieben wurden, in diesem Opferdiskurs weder namentlich noch zahlenmäßig erfasst wurden und dass der Opfer unterschiedlich gedacht wird. Die widersprüchlichen oder ungenauen Angaben und Nichtberücksichtigungen zeigen, dass u.a. sowohl eine Ausweitung der Untersuchungsjahre, als auch eine Aktualisierung und systematische Erfassung der Opferzahlen sowie Opfernamen, Oral History-Interviews mit den noch etwa einhundert lebenden, teilweise in deutschen Lagern geborenen, Zeitzeug*innen, notwendig sind, die nur im Rahmen eines fokussierten Forschungsprojektes, das sich der Erfassung und Dokumentation der verschiedenen Opfergruppen (Verfolgte, Vertriebene, Deserteure, Wehrdienstverweigerer, Widerstandskämpfer*innen etc.) widmet, durchgeführt werden kann.

Sowohl die Publikation (in Buchform und Open Access) als auch die Webseite sollen einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, damit gemeint sind Schüler*innen und Studierende, historisch und zeitgeschichtlich interessierte Personen in Kärnten / Koroška, Österreich, Slowenien und darüber hinaus, als auch Expert*innen im weitesten Sinne. Im Rahmen anderer Präsentationsformen (Ausstellungen, Vorträgen mit Diskussionen, Workshops etc.) werden zivilgesellschaftlich Engagierte einbezogen, damit ein weiterer Beitrag zur (geschichts-)politischen Debatte sowie zur österreichischen Erinnerungskultur im Allgemeinen geleistet wird.

Projektleitung: Marija Wakounig
Mitarbeit: David Ressman und Simon Urban

Fördergeber: Zukunftsfonds der Republik Österreich, Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, Amt der Kärntner Landesregierung (Abt. 1 Volksgruppenbüro),  Österreich und Ostmitteleuropa Zentrum

 

 

Herbersteiniana: Biographie und Editionsprojekt der Korrespondenz von Sigismund Herberstein

Unter dem Begriff Herbersteiniana werden die Biographie des habsburgischen Diplomaten Sigismund Herberstein (1488–1566), ein Vergleich seiner 69 diplomatischen Missionen, die Erfassung und kommentierte Edition sowie Analyse seines gesamten Oeuvres (alle Ausgaben der Moscovia bis 1566; Briefwechsel; sämtliche Autobiographien) verstanden. Der erstmalig 1715 erwähnte Terminus Herbersteinaina wurde am Institut für Osteuropäische Geschichte der Universität Wien ab den 1960er Jahren gleichsam als Codewort für die umfassende Beschäftigung mit dem Entdecker Russlands verwendet. Vor allem Walter Leitsch (1926–2010) hat in mehreren Aufsätzen und Herausgaben von Herbersteins Rerum Moscoviticarum Commentarii (1549 alias Moscovia) die Schiene für das seit 2017 laufende Editionsprojekt der Korrespondenz von Sigismund Herberstein gelegt. Mit der Erfassung, Edition und Analyse der verstreuten Briefe wird es auch möglich sein, Einblick in die Herkunft und Profession der Korrespondenzpartner, die Häufigkeit und Sprache des Briefwechsels sowie die thematischen/inhaltlichen Aspekte zu bekommen und nach mehr als 200 Jahren eine zweite, moderne Biographie sowie eine zufriedenstellende kritische Edition der deutschsprachigen Moscovia sowohl der Forschung als auch dem interessierten Publikum zur Verfügung zu stellen.

 

Requiescat in Pace (RIP)

Seit 2015 existiert das Friedhofs-/Gräberprojekt, an dem sowohl nationale wie internationale und interdisziplinäre Forscher*innen mitarbeiten. Intensivere Feld- und Archivforschungen wurden seit 2017 in Österreich, Tschechien, Slowenien, Polen und Italien durchgeführt; Workshops und Projektbesprechungen fanden in den Jahren 2018 und 2019 in Wien statt. Seit Juni 2020 wurde am Institut für Osteuropäische Geschichte unter Leitung von Marija Wakounig das Forschungsprojekt "Friedhöfe als Zeugen der Vergangenheit" betrieben.


Laufzeit: Juni 2020 bis Mai 2021
Postdoc-Projektassistent: Ferdinand Kühnel
Das Projekt wurde zu 80% aus Mitteln des BMBWF gefördert

Siehe dazu etwa

Ferdinand Kühnel, Ruhe in Frieden? Počivaj v miru?
Vom Verschwinden des Slowenischen auf den Friedhöfen Kärntens/Koroška
Hermagoras Verlag, 2021
336 Seiten
ISBN: 978-3-7086-1172-3
Verlagsinfo

Anschlussprojekt: "Totengedenken und ethnisch-sprachlicher Wandel in der Süd- und Untersteiermark/Južna in Spodnja Štajerska"

Die Süd- und Untersteiermark/Južna in Spodnja Štajerska waren über Jahrhunderte Teile des Herzogtums Steiermark und als solche auch konstituierende Bestandteile der Habsburgermonarchie. Slowenisch- und Deutschsprachige Bewohner*innen prägten die Kulturlandschaft, u.a. auch, indem sie für ihre Toten Erinnerungszeichen errichteten. Diese Erinnerungszeichen des Totengedenkens bestehen in Form von Gräbern, Denkmälern und Erinnerungstafeln fort, auch wenn sich die ethnisch-sprachliche Zusammensetzung der Bevölkerung in Folge des Ersten und Zweiten Weltkriegs dramatisch verändert hat. Während die mehrheitlich slowenischsprachige Untersteiermark/Spodnja Štajerska nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie 1918 an das neuerrichtete Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen kam, verblieb die ebenfalls zweisprachige Südsteiermark/ Južna Štajerska bei der neugegründeten Republik Österreich. Das Projekt wird die sozialen, sprachlichen und ethnischen Veränderungen sowohl in der österreichischen Südsteiermark/Južna Štajerska als auch in der jugoslawischen bzw. slowenischen Untersteiermark/Spodnja Štajerska anhand der Erinnerungskultur bzw. im Speziellen der Sepulkralkultur erforschen. Im Fokus der Untersuchung werden vor allem die Entwicklung der Erinnerungszeichen von Totengedenken und der Einfluss der politischen Umbrüche im 20. Jahrhundert stehen.

Laufzeit: seit Februar 2022
Postdoc-Projektassistent: Ferdinand Kühnel
Das Projekt wird zu 100% aus Mitteln des BMBWF gefördert

Richard Plaschka-Stipendium – Richard Plaschka-Tagung

Die Österreich und Ostmitteleuropa Zentren legen sehr viel Wert auf Nachwuchsförderung und Vernetzung sowie den Austausch mit schon etablierten Wissenschaftler*innen. Darüber hinaus ermöglichen sie PostDocs und PraeDocs aus dem gesamten osteuropäischen Raum, und jenen, die sich global mit der österreichischen- und ostmitteleuropäischen Geschichte befassen, mehrmonatige Forschungen in Österreich im Rahmen des Richard Plaschka-Stipendiums. Zudem werden aktuelle und ehemalige Stipendiat*innen zu den biennalen Richard Plaschka-Tagungen eingeladen.
Seit 2019 hat Marija Wakounig die wissenschaftliche Leitung des Richard Plaschka-Stipendiums inne und ist unter anderem für Dissemination und die Organisation der Richard Plaschka-Tagungen verantwortlich.

Bisherige Richard Plaschka-Tagungen

 

Adels- und Dynastieprojekte

Bubikopf
Teilforschungsprojekt

Der Projektname Bubikopf bezieht sich auf den revolutionären Kurzhaarschnitt für Frauen, der nach der Jahrhundertwende bis in die 1920er Jahre weite Verbreitung fand. Der Haarschnitt symbolisierte weitaus mehr als den bloßen Wandel der (Haar-)Mode: Er wurde zum Signum emanzipierter Frauen oder solcher, die es noch werden wollten. Für das gegenständliche Teilprojekt dient der Bubikopf als Metapher für ein in der Forschung vernachlässigtes Thema, nämlich, wie sich das wirtschaftliche und soziale Leben von adeligen Frauen vor dem Zusammenbruch der Habsburger Monarchie und insbesondere danach, als in fast allen Nachfolgestaaten Österreich-Ungarns der Adel abgeschafft wurde, veränderte, welche Herausforderungen und Möglichkeiten ihnen der so genannte postimperiale Warteraum bot und wie sie diese wahrnahmen, um sich aus dem adelsständischen „Korsett” zu befreien. Exemplarisch lässt sich etwa die Fideikommiss-Abschaffung anführen, die u. a. neue Chancen für adelige Frauen als Erbinnen bot, zumal die strikte Erbpraxis damit aufgebrochen wurde.


Seit dem Frühjahr 2022 führt Martina Mirković BA MA Forschungen durch, um grundlegende Ergebnisse für das transnationale Forschungsprojekt „Transformation der adelige Lebenswelt im postimperialen Warteraum” (Arbeitstitel) zu generieren. Das Teilforschungsprojekt wird aus Drittmitteln des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) finanziert.

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Adeliger Gedächtnis- und Erinnerungsspeicher: Ordnen, erschließen und inventarisieren des Privatarchivs der Familie Schmidburg

Die Ordnungs-, Inventarisierungs- und Erschließungsarbeiten des Privatarchivs der Familie Schmidburg
wurden im Rahmen des von Marija Wakounig geleiteten Forschungsprojektes Adeliger Gedächtnis- und Erinnerungsspeicher: Ordnen, erschließen und inventarisieren des Privatarchivs der Familie Schmidburg in den Jahren 2016 bis 2021 durchgeführt.


Bericht zu den Ordnungs-, Inventarisierungs- und Erschließungsarbeiten (verfasst von Nicole Hofbauer und Manuel Neubauer)

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Adel aus Böhmen und Mähren
(Teilforschungsprojekt des Projektes Transformation der adeligen Lebenswelt im postimperialen Raum)


Projektmitarbeiter: Luděk Němec, BA
Dauer: Mai–Dezember 2024

Im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojektes "Transformation der adeligen Lebenswelt im postimperialen Raum" (Arbeitstitel) spielen vor allem jene Adelsfamilien eine große Rolle, die nach der Ausrufung der Tschechoslowakischen Republik 1918, der folgenden Abschaffung des Adels und der beginnenden Bodenreform (die sich bis in die 1930-er Jahre zog) Böhmen und Mähren als ihre Heimat (vlast) betrachteten, sich als Böhmen und Mährer fühlten, jedoch selten als ethnische/sprachliche Tschechen bezeichneten, zumal sie mehrheitlich deutschsprachig waren und nach dem Umbruch teilweise auch für die österreichische, deutsche oder liechtensteinische Staatsbürgerschaft votiert hatten – trotz ihrer behaupteten Supranationalität.


Noch vor der Zerschlagung der Tschechoslowakei und der Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren (März 1939–Mai 1945) durch Nazi-Deutschland haben sich zwölf Familienchefs des abgeschafften Adels (u.a. Kinsky von Wchinitz und Tettau, Belcredi, Schwarzenberg, Lobkowicz, Czernin von Chudenitz, Kolowart, Schlick, Thun-Hohenstein, Colloredo-Mansfeld) im September 1938 beim tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Beneš für die Unveränderlichkeit der historischen Grenzen eingesetzt (erste Deklaration) und im Jänner 1939 dem neuen Präsidenten Emil Hácha ihre Treue versichert (zweite Deklaration). Im September 1939, nach einem halben Jahr unter NS-Herrschaft, schließlich haben sich 80 Adelige ungeachtet ihrer unterschiedlichen Herkunft bei der Abstimmung zur tschechischen Nationalität bekannt (dritte Deklaration), weil sie sich entschlossen hatten, während der nationalsozialistischen Besatzung das Schicksal der Tschechen (Böhmen und Mährer) zu teilen. Aufgrund der Ethnizität/Nationalität oder Zugehörigkeit zu dieser gesellschaftlichen Schicht hat ein Großteil dieser Familien nach der Wiedererrichtung der Tschechoslowakei 1945 bzw. dem kommunistischen Staatsstreich 1948 Böhmen und Mähren verlassen müssen. Trotz Verlust des Familienbesitzes, Vertreibung und Suche nach einer neuen Heimat haben die geflüchteten Adelsfamilien nie ihre (auch innere) Beziehung zu Böhmen und Mähren verloren, sondern auf vielfältige Weise dissidente und ab 1989 wieder offizielle Beziehungen unterhalten. Als bestes Beispiel kann der jüngst verstorbene Karel Schwarzenberg (1936–2023) angeführt werden.


Im Kontext des oben erwähnten Projektes soll anhand ausgewählter Adelsfamilien in longue durée (Schwarzenberg, Lobkowicz u.a.) herausgefunden werden, ob und wie sie sich mit den Umbrüchen arrangierten (1918, 1938/39), wie sie das Obenbleiben trotz Titelverlust und Bodenreform behaupteten, für welche Tätigkeiten sie aufgrund ausgewiesener Fähigkeiten (Diplomatischer Dienst) nach wie vor eingesetzt wurden, ob und wie sich die adeligen Geschlechterrollen änderten, welchen Anteil Frauen an (politischen) Entscheidungen ihrer Ehemänner hatten, wie Frauen als Witwen (z.B. Therese Schwarzenberg) agierten, welche materiellen Chancen die Abschaffung des Fideikommiss den weiblichen Mitgliedern offerierte, etc. (diese und weitere Fragen werden im Teilprojekt "Bubikopf" verfolgt). Als wesentlich für die Änderungen nach 1918 erscheint der "postimperiale Warteraum" der Zwischenkriegszeit, der dem Adel Anpassung an die neuen politisch-systemischen Gegebenheiten sowie berufliche und sozio-ökonomische Neuausrichtung abverlangte und unbewusst auf neue Umbrüche (1945/48, 1989ff.) vorbereite bzw. dafür sozusagen „trainierte”. Die kulturellen Brücken, die der vertriebene böhmische und mährische Adel nach 1945 in Europa baute, wären vor allem ohne die durchwachsenen Erfahrungen der Zwischenkriegszeit wohl kaum möglich. Interessant in diesem Zusammenhang erscheinen die Monate, die zwischen der ersten und der dritten Deklaration liegen, zumal die Zahl der adeligen Unterzeichner für die vom Protektorat bedrohte tschechische Nation versechsfacht werden konnten. Die inneradeligen Netzwerke in Böhmen und Mähren der Zwischenkriegszeit, speziell des in Rede stehenden Zeitraums September 1938 bis September 1939, stellen ein Forschungsdesiderat, das im Rahmen des Teilforschungsprojektes angegangen werden sollte.